- Völuspá
- Völuspá[v-], Eingangslied der Lieder-Edda, das literarisch wohl herausragendste eddische Götterlied, überliefert in 62 (Codex Regius) beziehungsweise 66 Strophen (der Schluss ist verloren), das in anspielungsreichen und oft schwer zu entschlüsselnden Bildern die wichtigsten Elemente der nordgermanisch-heidnischen Vorstellungen von Weltschöpfung und Weltende in einen als Vision (spá) angelegten Zusammenhang stellt: Eine Seherin (völva) berichtet vor Odin vom Chaos der Urzeit, von der Ordnung des Chaos durch die Erschaffung der bewohnbaren Welt (Midgard) und der Zeit (Fixierung von Sonne, Mond und Sternen; Tag und Nacht), vom friedlich-paradiesischen Dasein der Götter, von der Erschaffung des Urmenschenpaares durch eine Göttertrias. Den »Sündenfall« der Götter markieren v. a. der Krieg zwischen den heidnischen Göttergeschlechtern, den Asen und den Vanen, und die heimtück. Ermordung des guten Gottes Baldr durch den Gott Loki. Nach einer Reihe unheilvoller Vorzeichen kommt es zur endzeitlichen Schlacht (Ragnarök), in der alle zugrunde gehen.Die Völuspá wurde im 13. Jahrhundert von Snorri Sturluson für seine Prosa-Edda verwendet und stellenweise missverstanden. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Völuspá Gegenstand ausgedehnter Forschungen. Nach gängiger Auffassung stellt sie das Werk eines heidnischen Dichters dar, dessen systematisierte Kosmogonie und Eschatologie bereits von christlichen Weltschöpfungs- und Weltuntergangsvorstellungen beeinflusst war und möglicherweise als heidnisches Gegenstück zum christlichen Schöpfungsbild konzipiert wurde. Die Völuspá dürfte somit in der Übergangsphase vom nordgermanischen Heidentum zum Christentum um 1000 auf Island entstanden sein.Ausgaben: Edda, herausgegeben von G. Neckel u. a. (51983); Die Edda, übersetzt von F. Genzmer (61987).J. de Vries: Altnord. Literaturgesch. (21964-67);S. Nordal: V. (1980).
Universal-Lexikon. 2012.